… Sokrates hatte doch recht. Generationenkonflikt reloaded.
„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“
Wie das Zitat von Sokrates zeigt, sind Spannungen und Konflikte zwischen den Generationen ein zeitloses Phänomen. Angesichts der steigenden Lebenserwartung, der sinkenden Geburtenraten und der Erhöhung des Rentenalters können diese Spannungen zunehmen, da sich die Demographie in Deutschland in naher Zukunft verschieben wird.
Diese demografische Verschiebung bedeutet, dass der Anteil älterer Arbeitnehmer steigen wird und der Anteil der älteren Generationen zunimmt. Im Jahr 2021 waren 19,6 Prozent der Bevölkerung 67 Jahre oder älter; dieser Anteil wird bis 2030 auf 22 Prozent und bis 2070 auf 25,6 Prozent ansteigen. Der Anteil der unter 20-Jährigen, der in den letzten 50 Jahren von 29,7 auf 18,4 Prozent gesunken ist, wird in Zukunft voraussichtlich bei etwa 19 Prozent stabil bleiben. Im Gegensatz dazu wird der Anteil der 20- bis 67-Jährigen von 61,8 Prozent (2021) auf 55,5 Prozent (2070) sinken. Zusätzlich arbeiten in Deutschland 13 Prozent der Rentner in den ersten sechs Monaten nach dem erstmaligen Rentenbezug weiter, was den Anteil der älteren Generationen in Unternehmen zusätzlich erhöht.
Diese demografische Entwicklung spiegelt sich in den Unternehmen wider und hat weitreichende Auswirkungen auf die Arbeitswelt, insbesondere im Bereich des Wissensmanagements. Mit dem steigenden Anteil älterer Arbeitnehmer und dem gleichzeitigen Eintritt jüngerer Generationen in den Arbeitsmarkt wird die Altersdiversität in Unternehmen zunehmen. Generationen von Mitarbeitern werden sich künftig überlappen, so dass Mitarbeiter mit unterschiedlichen Werten und Arbeitseinstellungen miteinander arbeiten werden.
Diese Situation birgt sowohl Chancen als auch Risiken für den Wissenstransfer zwischen den Generationen: Einerseits verfügen ältere Mitarbeiter über jahrzehntelange Erfahrung und wertvolles Wissen, das für den Unternehmenserfolg von großer Bedeutung ist. Andererseits bringen jüngere Generationen oft aktuelles Fachwissen, insbesondere im Bereich neuer Technologien, mit. Ein effektiver Wissenstransfer zwischen diesen Generationen ist daher entscheidend, um die Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsstärke von Unternehmen zu sichern.
Um die generationsübergreifende Zusammenarbeit im Rahmen des Wissenstransfers zu optimieren, empfehlen Burmeister et al. zwei Trainingsarten: identitätsorientierte und wissensorientierte Trainings. Das identitätsorientierte Training stärkt das Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen und die emotionale Bindung zwischen Teams und Arbeitsgruppen, indem es Gemeinsamkeiten der Generationen betont und Stereotype abbaut. Es basiert auf der Sozialen Identitätstheorie und zielt darauf ab, Selbstvertrauen zu stärken, Vorurteile zu reduzieren und die Zusammenarbeit zu verbessern. Nach Tajfel basiert die soziale Identität auf dem Wissen um die eigene Mitgliedschaft in einer oder mehrerer sozialen Gruppe sowie aus der emotionalen und wertbezogenen Bedeutung dieser Mitgliedschaft. Soziale Identität entsteht durch soziale Kategorisierung, also die Einteilung der sozialen Umwelt in Gruppen, die für das Individuum bedeutsam sind. Diese Kategorisierung dient als Orientierungssystem, das den eigenen Platz in der Gesellschaft definiert. Ein zentrales Merkmal sozialer Identität ist, dass sie durch Vergleiche mit anderen Gruppen geformt wird. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe (Kategorisierung) trägt zur positiven Bewertung des Selbst bei, wenn die eigene Gruppe als vorteilhaft oder unterscheidbar wahrgenommen wird. Um diese positive soziale Identität zu erhalten, streben Gruppen danach, ihre Unterscheidbarkeit und ihren Status gegenüber anderen Gruppen zu bewahren oder zu verbessern. Das identitätsorientierte Training besteht sowohl aus wissenschaftlichen Input zur sozialen Identität aber auch aus Gruppenarbeiten zur Selbstreflexion.
Nach Burmeister et al. zielt das wissensorientierte Training darauf ab, den Wissenstransfer zwischen Mitarbeitern zu fördern und den Nutzen des Wissens sichtbar zu machen. Es basiert auf der Idee, dass Mitarbeiter Wissen gemäß dessen erwarteten Nutzen annehmen. Um dies zu erreichen, müssen sie wissen, wer welches Wissen besitzt und wie es für ihre Arbeit relevant ist. Studien zeigen, dass altersdiverse Kollegen das Wissen ihrer KollegInnen mehr schätzen, wenn sie die Fachgebiete des anderen kennenlernen und deren Nützlichkeit reflektieren. Ähnliche Interventionen haben sich in der Teamforschung als effektiv erwiesen. Empfohlen wird ein Training, das Visualisierung und Diskussion des Wissens einschließt, um die Wahrnehmung und Nutzung des Wissens zu verbessern.
Der identitätsorientierten Ansatz ist insbesondere für Unternehmen, bei denen eine altersbasierte Kategorisierung ersichtlich ist, empfehlenswert. Der wissensorientierten Ansatz kann in Unternehmen, bei denen Wissensunterschiede zwischen den Generationen festzustellen sind, angewendet werden. Beide Ansätze können einzeln, aber auch kombiniert angewendet werden.
Quellen:
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